In einem Offenen Brief wendet sich der Bundestagsabgeordnete Lothar Binding (SPD) zusammen mit seinem Kollegen Burkard Blienert an den Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion Volker Kauder. In dem Brief wirft er Volker Kauder vor, die Argumente der Tabakindustrie wörtlich übernommen und ein Tabakwerbeverbot verhindert zu haben. Wir teilen die klare und stichhaltige Argumentation Herrn Bindings und drucken den Brief nachfolgend in voller Länge ab.
Wir möchten auch erwähnen, dass Herr Binding bei der diesjährigen Bundestagswahl erneut antritt. Da wir Herrn Binding als entschlossenen Befürworter einer strengen Tabakkontrolle schätzen, würden wir uns freuen, wenn er wieder in den Bundestag einziehen würde. Denn der neue Bundestag braucht dringend Abgeordnete, die sich für ein Tabakwerbeverbot stark machen.
Brief der Bundestagsabgeordneten Lothar Binding und Burkard Blienert:
Sehr geehrter Herr Kauder,
in einem Schreiben aus Ihrem Büro wird die Haltung Ihrer Fraktion zum geplanten Tabakwerbeverbot dargelegt. Der Brief versetzt den Leser in vorindustrielle Zeit zurück. Keine medizinischen Kenntnisse, Krebs und Herz-Kreislaufkrankheiten völlig unbekannt, das Deutsche Krebsforschungszentrum 200 Jahre vor seiner Gründung…
Wir lesen, dass es in einem freien Land erlaubt sein müsse, für ein legales Produkt werben zu dürfen und, dass wer einmal den Weg hin zu Werbeverboten einschlägt, sich auch bei anderen Produkten wie Alkohol und Zucker schwerlich weiteren Verboten entziehen könne. Es erschreckt mich, dass sich CDU und CSU von der massiven Lobbyarbeit der Tabak- bzw. Zigarettenindustrie derart beeindrucken lassen und deren Argumentation eins zu eins übernimmt – in wortgleicher Formulierung.
Die Tabakkonzerne weisen immer wieder darauf hin, dass sie legale Produkte bewerben. Was sie verschleiern ist, dass diese „legalen Produkte“, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch in hohem Maße gesundheitsgefährdend sind und oft zum Tod führen. Die Gefährlichkeit des Produkts wird mit psychologischen Tricks – Freiheit, Zukunft, Geselligkeit – überdeckt. Auch hinkt der Vergleich mit dem Konsum von Zucker und Alkohol – bei dem es erstens entscheidend auf die verzehrte Mengen ankommt, zweitens müssen Sie keinen Zucker in Ihrem Kaffee trinken, wenn ich Zucker in meinem Kaffee trinke. Es erschüttert uns, solche Argumente nach der vieljährigen Debatte über den Passivraucherschutz noch zu lesen.
Beim Tabak ist bereits die erste Zigarette gesundheitsgefährdend und außerdem gefährdet das Rauchen in der Gegenwart von anderen auch deren Gesundheit. Müssen wir das wirklich im Jahr 2017 noch erklären?
In dem Schreiben wird zudem behauptet, dass die WHO-Tabakrahmenkonvention keine rechtliche Verpflichtung zum Tabakwerbeverbot enthält. Eine Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei Artikel 13 Abs. 2 des Abkommens, sehr wohl um eine bindende Verpflichtung handelt, die auch die jetzt geforderten Einschränkungen umfasst. Aber brauchen wir solche Winkelzüge um unsere eigenen Versprechen als rechtliche Verpflichtung zu verstehen?
Wir lesen weiterhin, dass ein Werbeverbot für Tabakprodukte überflüssig sei, weil durch Präventionsmaßnahmen die Zahl der jugendlichen Raucher stark gesunken sei. Laut dem Jahrbuch Sucht 2016 der deutschen Hauptstelle für Suchtfragen ist der Zigarettenverbrauch 2015 wieder angestiegen. Die Zahl der konsumierten Zigaretten stieg um 2.24%. Aber auch hier: Reicht unser Erkenntnishorizont nicht so weit, um zu erkennen, dass Werbung werben will?
Im Jahr 2013 starben 121.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Das waren immerhin 13,5% aller Todesfälle. Die durch das Rauchen entstandenen Kosten belaufen sich allein in Deutschland auf knapp 80 Milliarden Euro (direkte und indirekte Kosten). Stellen Sie sich mal vor, Sie hätten den Gruppenantrag zum Passivraucherschutz aus dem Jahr 2007 für Ihre Fraktion nicht gestoppt und denken Sie gleichzeitig an so manchen Krebspatienten und wenn Sie mögen auch an Geld. Stellen Sie sich das mal vor.
Zwar ist die Zahl der Raucher seit einigen Jahren rückläufig. Aber immer noch rauchen etwa 30% der Männer und über 20% der Frauen. Finden Sie das nicht zu viel?
Sehr geehrter Herr Kauder, wir bitten Sie eindringlich den von der Bundesregierung bereits verabschiedeten Gesetzentwurf nicht länger zu blockieren. Wir brauchen zeitnah ein umfassendes Werbeverbot, das jegliche Form der Werbung einschließt, um den Einstieg von Jugendlichen ins Rauchen zu verhindern und den Tabakkonsum in der Gesamtbevölkerung zu senken. Deutschland ist neben Bulgarien das einzige Land in der EU, das noch Tabakaußenwerbung erlaubt. Ein Unding.
Außerdem fallen Sie mit Ihrer Blockade Ihren eigenen Ministern und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, mit CSU-Parteibuch, in den Rücken. Frau Mortler hat in der Presse noch einmal bekräftigt, dass Sie weiterhin für das Tabakwerbeverbot kämpfen wird. Sie hat dabei unsere volle Unterstützung.
Und stellen Sie sich vor, wir schrieben Ihnen im Jahr 2027 erneut einen Brief mit der Statistik über die Toten in den Jahren 2017 bis 2027, über die Krebspatienten und die Menschen mit Herz-Kreislaufproblemen. Denken Sie, es sei klug Ihren Fehler aus dem Jahr 2007 im Jahr 2017 zu wiederholen? Haben wir nicht alle auch eine Verantwortung gegenüber jenen, die nicht frei genug sind Ihre Sucht zu beenden und die auf ein anderes Umfeld warten? Ein Umfeld, das der Deutsche Bundestag schaffen könnte. Wenn Sie es wollten, wenn Sie ihre Verantwortung annehmen.
Zum Schluss möchten wir Sie auffordern sich endlich für ein gesetzliches Rauchverbot in Autos in denen auch Kinder mitfahren einzusetzen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) fand im Zuge diverser Untersuchungen heraus, dass sich selbst bei einer Fahrt mit geöffneten Fenster im Auto so viel Tabakrauch ansammelt, wie in einer Kneipe in der geraucht werden darf. Gerade für Kinder ist das gefährlich. Kinder atmen schneller als Erwachsene und nehmen dadurch noch mehr Schadstoffe auf, was zu gesundheitlichen Schäden führen kann. Über 87% der deutschen Autofahrer stimmen in der Umfrage des DKFZ einem Rauchverbot im Auto zu, wenn dies dem Schutz der Kinder dient. Eine gesetzliche Regelung gibt es in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie z.B. Frankreich und Italien, trotz dieser eindeutigen Umfrageergebnisse nicht. Finden Sie nicht auch, dass wir unserer Verantwortung für die Gesundheit der Kinder endlich gerecht werden sollten? Wir hoffen, dass es in der neuen Legislaturperiode gelingt hier endlich zu einer gesetzlichen Regelung zum Schutz der Kinder zu kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Binding und Burkhard Blienert