Fragestunde: Kathrin Vogler fragt nach Tabakwerbeverbot

am 15. April 2017

Anlässlich der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 29. März 2017 erschien auf der Internetseite des Deutschen Bundestags ein Interview mit der Abgeordneten Kathrin Vogler (Die Linke), das wir an dieser Stelle gerne in ganzer Länge wiedergeben möchten:

Krebs, Herzinfarkt, Diabetes: Mehr als 120.000 Menschen sterben pro Jahr an Gesundheitsschäden, die das Rauchen verursacht. Trotzdem ist Deutschland das einzige Land in der Europäischen Union, in dem Tabakkonzerne noch auf Plakatwänden werben dürfen. Zwar einigte sich das Bundeskabinett im April 2016 auf ein Außenwerbeverbot ab 2020. Doch einen entsprechenden Gesetzentwurf hat der Bundestag noch immer nicht beschlossen. Dass der Wirtschaftsflügel der CDU/CSU-Fraktion auf Betreiben der Tabak-und Werbewirtschaft das Gesetzesvorhaben seit Monaten blockiert, ist für Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke „ein Trauerspiel“.

In der Fragestunde des Bundestages (18/11681, 18/11719) am Mittwoch, 29. März 2017, wollte Vogler von der Bundesregierung wissen, mit welchen Lobbyvertretern diese im vergangenen Jahr Gespräche geführt hat – und ob es dabei auch um das Tabakwerbeverbot gegangen ist. Warum Deutschland dieses braucht und wie es aller Widerstände zum Trotz doch noch im Bundestag beschlossen werden könnte, erklärt die Abgeordnete aus dem nordrhein-westfälischen Wahlkreis Steinfurt III im Interview:

Frau Vogler, die erste Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag wurde im vergangen Juli kurzfristig abgesetzt. Seitdem stockt das parlamentarische Verfahren. Was ist da los?

Offensichtlich blockiert der Wirtschaftsflügel der CDU/CSU-Fraktion das eigentlich längst überfällige Tabakwerbeverbot, obwohl sich alle Gesundheitspolitiker, Verbraucherschützer, Ernährungs-und Landwirtschaftspolitiker einig sind, dass wir ein entsprechendes Gesetz dringend brauchen. Anscheinend wiegen Wirtschaftsinteressen bei der Union schwerer als der Schutz der Gesundheit.

Medienberichten zufolge ließ Unions-Fraktionschef Volker Kauder zuletzt schriftlich erklären, ein Werbeverbot sei eine ordnungspolitische Grundsatzentscheidung. Wer Tabakwerbung verbiete, könne künftig auch nicht gegen ein Verbot bei anderen Produkten, wie Alkohol oder Zucker, sein. Können Sie dieser Argumentation folgen?

Nein, überhaupt nicht. Deutschland ist innerhalb Europa eines der Schlusslichter, wenn es um Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums geht. Wir sind der einzige EU-Staat, der Außenwerbung für Zigaretten noch erlaubt. Dabei sterben jedes Jahr über 120.000 Menschen an Gesundheitsschäden, die durch das Rauchen verursacht werden. Der volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich auf jährlich auf 68 Milliarden Euro. Tabak lässt sich so einfach nicht mit anderen Produkten vergleichen, wie Herr Kauder es tut.

Welche Rolle spielt in dieser Hinsicht ein Tabakwerbeverbot im Außenbereich?

Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass sich gerade Kinder und Jugendliche besonders durch Werbung beeinflussen lassen. Wenn wir durch Tabakkonsum verursachte Krankheiten verringern wollen, müssen wir das Nicht-Rauchen fördern – und vor allem dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche gar nicht erst mit dem Rauchen damit anfangen. Dabei spielt ein Verbot von Werbung für Zigaretten und andere Tabakprodukte im Außenbereich eine große Rolle. Wie groß, das verdeutlichen schon diese Zahlen: Rund 200 Millionen Euro gab die Tabakindustrie 2014 für Werbung aus, dem Staat standen etwa 2,5 Millionen Euro für die Präventionsarbeit zur Verfügung.

Abgesehen von dem Argument der „ordnungspolitische Grundsatzentscheidung“ – geht es bei dem Widerstand gegen das Werbeverbot nicht auch um den drohenden Verlust von Steuereinnahmen und Arbeitsplätzen?

Natürlich geht es hier in erster Linie um wirtschaftliche Interessen. Allerdings handelt die Union sehr kurzsichtig, denn langfristig sind die Folgeschäden des Tabakkonsums für unsere Gesellschaft erheblich größer. Ich denke, dass Herr Kauder unter dem Druck der Lobbyisten eingeknickt ist.

32 Mal sollen sich in dieser Wahlperiode Spitzenvertreter der Bundesregierung mit Tabaklobbyisten getroffen haben, das geht aus einer Anfrage Ihrer Fraktion hervor. Sie wollen nun wissen, mit wem es in den letzten 12 Monaten genau Gespräche gegeben hat. Haben Sie eine Vermutung, welche Branche hier besonders wirkungsvoll Einfluss ausgeübt hat?

Ich vermute dass es eine konzertierte Aktion der Werbewirtschaft und Tabakindustrie war – wobei die Tabakindustrie mit dem Gesetzesvorgaben zuletzt einverstanden war. Daher nehme ich an, dass in den letzten Monaten von der Werbewirtschaft der größere Druck ausging. Möglicherweise haben aber auch die Kommunen Einfluss ausgeübt, die Werbeflächen im Außenbereich besitzen, weil sie sinkende Einnahmen fürchten. Wie auch immer, das Ganze ist ein Trauerspiel. Deutschland könnte bei der Eindämmung des Tabakkonsums viel weiter sein.

Viel scheint nicht dafür zu sprechen, dass das Tabakwerbeverbot noch in dieser Legislaturperiode kommt. Sehen Sie trotzdem noch eine Chance?

Ich kann nur hoffen, dass die Gesundheitspolitiker der Union darauf dringen, den Fraktionszwang bei der Abstimmung im Bundestag aufzuheben. Das haben die Fraktionen in der Vergangenheit immer wieder getan, meist bei Gewissensentscheidungen über ethische Fragen. Ich finde, dass die Frage, wie wir unsere Kinder vor dem Einfluss der Tabakindustrie schützen können, durchaus eine ethische Dimension hat. Gelänge es den Gesundheitspolitikern in der Union sich durchsetzen und einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf einzubringen, könnte der Bundestag diesen noch vor dem Weltnichtrauchertag am 31. Mai verabschieden. Die Mehrheit dafür ist da.

(sas/28.03.2017)

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