Vom 8. bis 12. März habe ich an der Konferenz über Tabak oder Gesundheit teilgenommen. Im Gegensatz zu den vorherigen Konferenzen in Helsinki und zuletzt in Washington fiel mir in Mumbai der grosse Anteil von Teilnehmern aus Entwicklungsländern auf.
Die Konferenz vermittelte mit über 2000 Teilnehmern das angenehme Gefühl, dass unser Kampf gegen das Rauchen und gegen die Tabakindustrie in vielen Laendern der Welt geführt wird. Natürlich gab es ein volles Programm ueber Tabakentwöhnung und Aufklärung. Das passte zu den beiden überall sichtbaren Sponsoren Pfizer und Glaxo. Selbst das Mitagessen haben wir täglich Pfizer verdankt. Doch ging die Konferenz wesentlich stärker auf die Machenschaften der Tabakindustrie ein als die beiden Vorgängerkonferenzen. In meinen Augen war dies das herausragende Ereignis der Konferenz.
Zu dieser Politisierung des Tabakproblems hat sicherlich ganz entscheidend die gut vertretene WHO und die breite Diskussion ueber die „Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle“ (FCTC) beigetragen, die seit 2007 auch in Deutschland Gesetz geworden ist.
Insbesondere wurden die Empfehlungen zu Artikel 5.3 der Tabakrahmenkonvention diskutiert, die im letzten November in Durban (Suedafrika) von Vertretern von ueber 130 Regierungen beschlossen worden war. Dieser Artikel beschreibt, wie die öffentliche Gesundheit (public health policy) der Regierungen vor den kommerziellen und anderen Eigeninteressen der Tabakindustrie geschützt werden soll. Dabei wird davon ausgegangen, dass es einen fundamentalen und unüberbrückbaren („fundamental and irreconcilable“) Konflikt zwischen den Interessen der Tabakindustrie und den Interessen der öffentlichen Gesundheit gibt. Daraus ergeben sich eine ganze Reihe von Empfehlungen, von denen ich hier nur einige herausgreife:
1. Reduzierung des Kontakts zwischen Regierung und Tabakindustrie auf das absolut Notwendige.
Ein code of conduct soll von jeder Regierung für die Kontakte mit der Tabakindustrie ausgearbeitet werden. Es wird betont, dass Zahlungen, Geschenke und Forschungsförderung („research funding“) der Tabakindustrie Interessenskonflikte verursachen koennen. Daher soll die Regierung nach diesem Dokument Regierungsmitgliedern oder Regierungsangestellten nicht erlauben, Zahlungen, Geschenke oder Dienste von der Tabakindustrie zu akzeptieren. Es wird in den Richtlinien gefordert, dass Interessenskonflikte bei offiziellen Regierungsvertretern und Regierungsangestellten vermieden werden sollen.
2. Transparenz sowohl der Kommunikation zwischen der Regierung und der Tabakindustrie als auch der Aktivitaeten der Tabakindustrie.
Wenn irgend wie möglich, sollen Interaktionen zwischen Regierungen und der Tabakindustrie öffentlich stattfinden, wie zum Beispiel Anhörungen. Es wird die Veröffentlichung von Interaktionen gefordert.
In Brasilien wird dieser Punkt bereits umgesetzt, wie eine Brasilianerin referierte, die in einem Ministerium arbeitet. Dort werden die Protokolle der Sitzungen mit der Tabakindustrie in das Internet gestellt.
3. Ächtung bzw. Denormalisierung des sozialen Engagements der Tabakindustrie
Forderung nach Regulierung des sozialen Engagements („Corporate Social Resposibility�) der Tabakindustrie. Es wurden zahlreiche Projekte der Tabakindustrie zur Illustrierung des sozialen Engagements dargestellt. In der Bundesrepublik lassen sich dafuer vielfache Beispiele finden, die in Zukunft bei Einhaltung dieser Richtlinien nicht mehr moeglich sind. So gab es vor wenigen Wochen eine grosse Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin ueber Werke von Beuys mit offizieller Begleitung, die von Philip Morris gesponsert worden war. Auch die PR-Unterstuetzung der BAT-Stiftung zu Zukunftsfragen mit einem Foto von Bundesfamilienministerin von der Leyen auf der Internetseite von BAT ist hier anzufuehren. Erst nach massiven Protesten des Forum Rauchfrei sowie von Lothar Binding (MdB, SPD) und von Maria Eichhorn (MdB, CSU) mit Hinweis auf FCTC wurde im Januar diesen Jahres das Foto der Ministerin aus dem Netz entfernt. Weiterhin kann der Wissenschaftsminister Roessler von Sachsen-Anhalt genannt werden, der fuer das Projekt der Pall Mall Foundation als Schirmherr auftritt. Es gibt noch zahlreiche Beispiele fuer das soziale Engagement. So hat die Philip Morris Stiftung bereits angekuendigt, sich auch den Zukunftsfragen zu widmen. Natuerlich darf man dabei die Koerber-Stiftung nicht vergessen, die zu 40 Prozent aus der Tabaksparte der Koerber-Firma finanziert wird (Herstellung von Maschinen zur Produktion von Zigaretten). Besonders beliebt zur Steigerung des sozialen Ansehens der Tabakindustrie ist das Veranstalten von Wettbewerben: So der vor zwei Jahren gegruendete Journalistenpreis Liberty Award von Reemtsma, der jetzt am 26. Maerz zum dritten Mal mit hochrangiger Jury (z.B. die Intendantin des rbb) stattfindet und bisher auch viele Vertreter des Bundestags und der Medien-Chefetagen anzog.
Zum sozialen Engagement der Tabakindustrie wurden zahlreiche Beispiele aus aller Welt vorgetragen. So hat das vietnamesische Rote Kreuz US-Dollars von British American Tobacco erhalten. In den Philippinen unterstützt Philip Morris das Institut für internationale Erziehung. Es gibt dafür Hunderte von Beispielen …
Die Tabakindustrie, so die Begruendung in dem Artikel 5.3, will sich durch ihr soziales Engagement von dem Image der tödlichen Natur ihrer Produkte distanzieren. Es wird gefordert, dass die Regierung weder das soziale Engagement der Tabakindustrie unterstützt noch den Bekanntheitsgrad dieses Engagements erhöht.
In der Abschlussresolution der Konferenz vom 12. März wird entsprechend der neuen Richtlinie von FCTC, die von der WHO begleitet wird, u.a. gefordert, dass Regierungen, Wissenschaftler und Zivilgesellschaften weder Spenden annehmen noch die Teilnahme an Jugend- und sozialen Veranstaltungen der Tabakindustrie akzeptieren duerfen („Governments, academia, and civil society must not accept funding or participate in the tobacco industry’s youth, social responsibility, voluntary marketing, or other programmes.“).
Die erste Forderung der Resolution ist, dass die WHO die Begleitung der Tabakkontrolle an die erste Stelle ihrer Prioritaeten setzt („as a first level priority“). Weiterhin wird gefordert, dass bis 2012 80% der Staaten den Schutz vor Passivrauch einführen und neutrale Zigarettenpackungen (Plan Packs)vorschreiben. Mindestens 50 % der Staaten sollen einen umfassenden Bann für Werbung, Promotion und Sponsering umsetzen („at least 50 % should comply with the minimum requirements under Article 13 ((Tobacco advertisement, promotion and sponsorship)).“).